Blog Stadtteilschreiber

Der Stadtteilschreiber im Haus der Integration

PROJEKTARBEIT JA, ABER NEIN - ANTRÄGE BRAUCHEN TRÄGER, DIE SIE TRAGEN.

„Integriert bin ich doch erst, wenn ich mich zugehörig fühle. Wenn ich teilnehmen darf. Mitentscheiden darf. Wenn ich mitgestalten kann. Das eine ist die Pflicht. Das andere die Kür. Und die geschieht in den Quartieren!"

Wir erinnern uns: Die Leiterin des Kommunalen Integrationszentrums (KI) im „Haus der Integration", Arlin Cakal-Rasch, gab mir diese Worte kürzlich mit auf den Weg und verwies auf ihren Kollegen Sebastian Goecke, der zu dem Zeitpunkt aber gerade seinen Urlaub antrat. Mittlerweile ist er wieder am Platz. Deshalb habe ich mich erneut ins Haus der Integration aufgemacht.

Sebastian Goecke ist hier mit dem Bereich „Quartierbezogene Projektarbeit" betraut. Seine Auskunft zu den Quartieren Hesselnberg und Südstadt ist da mal zunächst ernüchternd. „Am Hesselnberg gibt es quasi keine Träger, die Projektanträge stellen könnten", sagt er und blickt dann auf die Südstadt: „Hier gibt es sicher höheren Bedarf, aber durch die Nähe zur City findet im Grunde gar kein Alltagsleben statt. Außerdem ist das eher so ein Ankomm-Viertel für u. a. Studenten." Das formulierte auch Maren Sleiman, die seit zehn Jahren die Gaststätte Schlupp betreibt, neulich so. Viel Fluktuation und Abwanderung also.

Klingt irgendwie nach dieser Katze, die sich in den eigenen Schwanz beißt. Es gibt keine Träger bzw. keine Impulsgeber, und bevor potenzielle Aktive tätig werden könnten, sind sie schon weitergezogen, weil der Stadtteil unattraktiv ist. Hm. Was für Projekte werden denn generell so gefördert? „Mir und uns ist es wichtig, dass mal zunächst verstanden wird, dass Integration Gegenseitigkeit bedeutet. Dieses konventionelle Bild, dass sich alle einfach nur anzupassen haben, soll aufgebrochen werden." Stichwort Leitkultur? „Genau. In Wuppertal werden bis 2025 die Hälfte aller hier lebenden Menschen einen Migrationshintergrund haben. Wir MÜSSEN uns begegnen, anders funktioniert ein Zusammenleben nicht!"

Was also kann man tun? „Wir haben zum Beispiel im Bereich Pflege für Begegnung zwischen Senioren und jungen Geflüchteten gesorgt", so Sebastian Goecke. Okay, da habe ich sofort ein Bild im Kopf: Die deutschen Alten haben überhaupt keinen Bock auf diese seltsamen Araber. Und die arabischen Jungen fühlen sich gerade bei diesen Senioren so gar nicht willkommen und gewollt. Jetzt lass hören! „Das Klischee trifft erstmal zu. Und genau da setzen wir an. Indem wir - ganz wichtig: beide Seiten! - motivieren, damit nun zu arbeiten." Und spätestens bei einem Rollentausch macht es dann offensichtlich bei den meisten Klick; der Quartierarbeiter jedenfalls berichtet von Senioren, die junge Araber im Rollstuhl schieben, um jetzt mal zu zeigen, wie das so ist mit dem Altwerden.

Ein weiteres Beispiel sind Schwimm- und Radfahrkurse für Frauen mit Kindern. „Das wird extrem gut angenommen. Und auch hier geht es ja um mehr. Wenn ich Radfahren kann, kann ich dies zum Beispiel auf der Nordbahntrasse. Wenn ich da unterwegs bin, kann ich Leute kennenlernen. Wenn ich neue Kontakte habe, kann ich vielleicht Neues lernen. Es geht um Teilhabe, die ein ganz wesentlicher Aspekt von Integration ist." Sebastian Goecke erwähnt noch weitere Projekte: So wurde Geflüchteten beispielsweise ein Schrottauto zur Verfügung gestellt, um dies unter Anleitung komplett auseinanderzunehmen und wieder zusammenzubauen. In einem anderen Fall bieten geflüchtete Ingenieure kostenlose Roboting-Kurse an. Geben, nehmen, geben, nehmen, ...

„Das ist der Weg!", so Goecke, dem das Thema Begegnung besonders am Herzen liegt. Seit bereits einem Jahr gibt es deshalb auch einen Begegnungsort in der Hufschmiedstraße auf dem Ölberg. „Aktuell installieren wir einen solchen Ort auch im BOB Kulturwerk." Und aufgemerkt - I have a dream! -: „Ich muss gar nicht mehr allzu viele Jahre arbeiten", so der 60-Jährige, „mein Traum ist es, in den nächsten Jahren ganze Häuser der Begegnung entstehen zu lassen!" Tja, das wiederum ist auch ein Riesenthema in den Quartieren Hesselnberg und Südstadt. Kürzlich erst betonte Axel Frevert vom „Aufbruch am Hesselnberg", dass es dort überhaupt keinen Ort der Begegnung gäbe, nicht mal mehr ein Café oder ähnliches. „Da hat er leider recht", so der Projekt-Beauftragte.

Aber Moment mal ... kann denn der „Aufbruch am Hesselnberg" nicht als Träger fungieren ... als solcher einen Antrag auf Projektförderung stellen ... also bei Sebastian Goecke, der die Brisanz ja kennt ... kann ich da jetzt nicht mal sehen, ob man die Damen und Herren mal an einen Tisch bekommt? ... Ich würde mal sagen: Da bleib ich dran!

 

 

Sebastian Goecke und Jörg Degenkolb-Degerli - jeweils hälftig.

+++ Projekt-Ticker +++ Am 17. Oktober zeigt die „börse" im Rahmen von „die börse 4 future" die Klima-Kino-Vorführung „Power to the children"; der Film handelt von indischen Kindern, die für ihre Rechte gekämpft und ein Kinderparlament gegründet haben. +++

+++ Projekt-Ticker +++ Der nächste und damit (vorerst) vorletzte Global Music Club findet am 20. Oktober statt: Jammen, sich vernetzen, mehr über das deutsche Music Biz erfahren oder einfach nur gemeinsam die verbindende Sprache von Musik feiern. Mit modernem Reggae als Basis und Elementen aus Dancehall, R'n'B, Soul und afrikanischer Folklore zeigt die Band Lan Netty & the MMA, was in Sachen Reggae alles geht. +++

+++ Projekt-Ticker +++ Am 16. Oktober sitzt ab 17 Uhr wieder das Forum Hesselnberg-Südstadt in der „börse" zusammen. Einmal im Monat treffen sich hier Interessierte, um sich mit den Nachbarn über Tops und Flops, Bedarfe und Ideen im und für das eigene Viertel auszutauschen, quartierbezogene Projekte zu planen und gemeinsam umzusetzen. +++

 

 

Fotos: Jörg Degenkolb-Degerli

Das Projekt "Stadtteilschreiber" wird gefördert von

 

 

Veröffentlicht am 04.10.2019

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