Ge(h)dankenkarussel (ABC-Text)

Was für ein Chaos. Meine Straße ist ja schon eng, aber die Quer-? Aus der man schon gar nicht mehr rauskommt, wenn man mit dem Auto erst mal reingefahren ist? Naja. Im Moment ist mir das eh egal. Bin an Krücken. Unterarmgehstützen heißt das. Aber das wird schon wieder. Gehe langsam. Brauche keinen Wagen. Dafür hänge ich viel in der Wohnung rum und denke nach. Quasi mein ganz persönlicher Lockdown. Es ist Herbst. Diese Zeit hatte ich bewusst für die OP gewählt. Ganz in Ruhe auskurieren…

Was wohl die ganzen Nachbarn jetzt so machen, jeder für sich, wo doch keiner mehr sich zum Grillen oder Fußballspielen draußen trifft. Kein „Nurisch“ und kein „Murisch erklingt, wie sich das türkische Ehepaar mit den Zwillingsjungs nennt, und kein Ibusch passt den Ball zu seinem Bruder oder Freund.

Ja, im Sommer hat der Garten seinen ganz eigenen Zauber. Von Xaver bis Yilmaz treffen sie sich, sprechen Russisch, Polnisch, Türkisch untereinander und miteinander Deutsch.

Dann höre ich etwas Spanisch von meinem Balkon aus… Ob die wohl aus Andalusien kommen? Schon wird’s einem warm.

Die aus Bosnien mit dem Onkel im Obergeschoss kommen nie raus. Warum wohl? Man sieht sie auch fast nie auf dem Balkon. Vielleicht haben sie Schlimmes im Jugoslawien-Krieg erlebt?

Manchmal denke ich im Sommer, ob die Backsteinmauern rund um den Garten, mit denen die Grundstücke abgegrenzt sind, wohl noch von den alten Häusern stammen, die vor dem 2. Weltkrieg hier standen. Oder hatte die Südstadt eine eigene kleine Stadtmauer? War der Holzer Bach vielleicht in Mauern eingefasst? Irgendwann werden sie wohl umfallen, so verwittert, wie sie aussehen. Aber jetzt ist das wurscht, denn es steht grad kein Kind in der Kälte davor, dem etwas auf den Kopf fallen könnte…

Es ist fast Winter und meine Nachbarin Kathi steht vor der Wohnungstür mit „Dolme“ (türkische Weinblätter). Gestern noch hatte ich „Taboulé“ von meiner Freundin Danielle. Köstlich.

Was geht es mir doch gut.

Und das Bein? Das wird auch wieder. ?