Ungewohnte Begegnung

Eigentlich wollte ich gar nicht aufmachen als es klingelte. Dann sah ich durch die Glasscheibe der Haustür, dass dort niemand stand, sondern saß – auf einem Stuhl mit großen Rädern an jeder Seite.

Ich öffnete und sah - Martina, meine Nachbarin von der gegenüberliegenden Straßenseite. „Mein neuer Rolli“ sagte sie, und etwas leiser dann: „ … den brauche ich in Zukunft ab und zu.“

Ich war perplex, denn obwohl ich wusste, dass sie mit ihrer „MS“ schon seit Jahren zu tun hat und dass diese Krankheit schubweise fortschreitet, war das jetzt doch ein neues Bild für mich: Martina im Rollstuhl. Martina, die früher leidenschaftlich Volleyball gespielt hatte, die mit ihren und den Nachbarskindern (auch unseren) auf der Straße getobt hatte, saß jetzt vor mir in einem abstrusen, unförmigen Gefährt, mit dessen Hilfe sie die Straße überquert hatte!

„Komm doch rein“ sagte ich aus alter Gewohnheit, weil – so hatten wir das ja seit Jahren gemacht: ein Kaffee hier, ein Pläuschchen dort, ein Feierabendbier auf der sonnenbeschienenen Bank vor unserer Tür …

Und jetzt? Tausend Fragen schwirrten mir durch den Kopf: Reinkommen?  Halt – da ist doch eine Stufe! Äh, wird es gehen? Kann ich anfassen, helfen, schieben, ziehen? Passt der Rollstuhl überhaupt durch die Türöffnung? Kannst du eventuell „mit Hilfe“ aufstehen? Ein paar Schritte bis ins Wohnzimmer – schaffst du das? Ist das gefährlich?

Aber dann – eine Idee:  das Brett im Keller! Ich hole es schnell, lege es schräg vor die Stufe, reiche die Hand … und zusammen rollen wir über die kleine Rampe hinein.

Martinas Miene hellt sich auf und wir gönnen uns ein halbes Plauderstündchen. Ein Händedruck, ein dankbarer Blick zur Verabschiedung.

Das Brett bleibt jetzt erstmal in greifbarer Nähe!