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Doro Dehlinger: Weitere Texte aus der Schreibwerkstatt

Malerin der Farbpalette

Die in Wuppertal lebende Künstlerin Eilike Schlenkhoff ist für ihr Werk vor kurzem mit dem renommierten Kunstpreis Phoenix ausgezeichnet worden. Wir sprachen mit ihr über ihre Arbeit und über das Leben als Künstlerin in Wuppertal.

Es passe jetzt gut; sie komme aus ihrem Garten und sei gerade fertig mit Unkrautjäten, erklärt Eilike Schlenkhoff zu Beginn unseres Gesprächs. Auf den Hinweis, eigentlich gebe es ja kein Un-, sondern nur Wildkraut, erwidert sie lachend, ja, aber davon wisse der Gartenverein, in dem ihr Garten liege, noch nichts. Entspannt zurückgelehnt beantwortet die schlanke, junge Frau in Leggins und großem T-Shirt, ein Käppi auf den kurzen braunen Haaren, offen und geduldig die vielen Fragen aus der Runde. Der Schrebergarten ist einer der Gründe, warum sie 2020 von Elberfeld ins Quartier Hesselnberg umzog. Eilike Schlenkhoff liebt die Natur, insbesondere ihre Ruhe. „Für meine Kunst brauche ich unbedingt Ruhe“, erklärt sie „Urbanität ist dagegen nichts, was mich interessiert. Berlin zum Beispiel mag ich gar nicht.“ Seit dem Umzug in den Wuppertaler Westen sind viele ihrer Bilder nicht nur in ihrem Atelier an der Oberbergischen Straße sondern auch im Garten entstanden. Allerdings findet sie dort nicht ihre Motive. Die junge Künstlerin malt abstrakt. Ihr Thema sind Farben, das Verhältnis von Licht und Schatten und wie daraus auf einer Leinwand Dreidimensionalität entsteht. Ihre Bilder malt sie mit Ölfarben auf Leinwand, teilweise mischt sie die Farbpigmente auch selbst an. „Ich lasse mich manchmal von der Natur inspirieren, beispielsweise von der unendlichen Vielfalt der Grüntöne oder vom Himmel. Einmal habe ich eine Zeitlang nur Bilder in unterschiedlichem Grün gemalt. Aber es ist nicht so, dass ich Pflanzen oder den Himmel abmale. „Was mich interessiert, sind die Farben“, erzählt sie, „zum Beispiel was passiert, wenn ich eine Farbe neben eine andere stelle.“

Wachsende Aufmerksamkeit

Auch bei anderen weckt die Wahl-Wuppertalerin mit ihren Bildern zunehmend Interesse. Neben zahlreichen Gruppen- und Einzelausstellungen in den vergangenen Jahren sind ihre Bilder mittlerweile in der Berliner Galerie Raschke Ripken zu finden. In 2022 erhielt sie neben dem Perron-Kunstpreis den mit 20.000 Euro dotierten Phönix-Kunstpreis; auch der Marburger Kunstverein hat sich gemeldet. Die wachsende Anerkennung verdankt sie neben ihrem Talent auch der kontinuierlichen Selbstvermarktung „Als Künstler ist es wichtig, sich laufend um Preise zu bewerben“, erzählt sie. „Wer das vernachlässigt, wird öffentlich einfach nicht wahrgenommen.“

„Viele verrückte Leute“

Vom Klischee der abgehobenen und weltfremden Künstlerin ist sie denkbar weit entfernt; auch die Frage nach der Preisfindung für ihre Werke beantwortet sie offen und pragmatisch: „Man legt einfach eine Formel zugrunde, die sich aus Höhe plus Breite des Bildes mal einem Faktor X“ ergibt. Dieser Faktor steigt mit der zunehmenden Erfahrung und der Anzahl der Ausstellungen.“ Die praktische Herangehensweise passt zu Eilike Schlenkhoffs Herkunft. 1984 geboren, wuchs sie auf dem Land, in der Eifel, auf und zog später nach Haltern. Ihre Ausbildung begann sie an der Freien Akademie der Bildenden Künste in Essen. Hier lernte sie die Malerei „von der Pike auf“, wie sie sagt, beginnend mit traditionellem Porträt- und Aktzeichnen. Dies hat ihr nach eigener Aussage geholfen, grundlegende künstlerische Techniken sicher zu beherrschen. Generell findet sie, praktische Aspekte kämen im Kunststudium zu kurz, beispielsweise eine Einführung in die farbechte Darstellung von Bildern im Druck oder im Internet. „Wenn ich Professorin wäre, würde ich das meinen Studenten als erstes beibringen.“, erklärt sie. „Es ist extrem hilfreich für die Darstellung der eigenen Arbeit.“ Von Essen führte sie ihr Weg an die Kunstakademie Münster, wo sich ihre Malerei zum Abstrakten hin entwickelte. Über Freunde von der Akademie kam sie nach ihrem Abschluss nach Wuppertal. „Die Netzwerke unter Künstlern sind wichtig. Dadurch ergeben sich immer wieder Projekte.“, kommentiert sei. In Wuppertal fühlt sie sich diesbezüglich gut aufgehoben. „Es gibt hier viel Unterstützung für Künstler und die Freiheit, etwas zu entwickeln.“ Die 38-Jährige ist Mitgründerin und Vorstandsmitglied des Kunst- und Kulturvereins Hebebühne e.V. und hat Kontakt zum Vollplaybacktheater. Sie hat Bühnenbilder für die Schauspieltruppe erstellt und auch selbst in Stücken mitgespielt. Daneben kennt sie viele Menschen, die sich bei Utopiastadt oder im Kulturzentrum Loch engagieren. „Es gibt hier viele verrückte Leute.“, sagt sie anerkennend. Und auf die Frage, welche Farbe sie als Malerin Wuppertal zuordnen würde, entgegnet sie nach kurzer Überlegung: „Für mich ist Wuppertal bunt.“

Wuppertal 2035

Wie konnte unser Tal in wenigen Jahren von einem liebenswerten Ort zu einer Falle werden? Wie wurde aus unserer lebendigen Stadt diese trübe Pfütze, in der Germanen im eigenen Saft dümpeln?

Der Marktbummel früher: Der Werth bevölkert von einer bunten Menge; auf einem Weg von nur 200 Metern dringen arabische, polnische, deutsche und griechische Gesprächsfetzen an das Ohr, das Ambiente war rau, aber herzlich. Das italienische Eiscafé voll besetzt, die Marktstände umgeben von türkischen Hausfrauen mit Kopftuch und schweren Einkaufstaschen, die das Gemüse kritisch befühlen. Nun führt der Weg durch fast menschenleere Straßen, vorbei an geschlossenen Friseuren, Büdchen und Dönerbuden zu den wenigen, noch verbliebenen Ständen. Weder marokkanische Gewürze noch griechischer Feta sind zu haben. Lediglich Eier „von deutschen Hühnern“, wie ein Schild versichert, daneben Kartoffeln, Kohl und Wurst, die von einem stämmigen Verkäufer auf die Theke geklatscht wird. Die Käufer sind überwiegend Senioren - deutsche, versteht sich. Nach der „Zurückgewinnung Wuppertals“ war das Fehlen der Kinder das erste, was ins Auge stach. Ganze Grundschulen auf einmal verwaist, Busse, Schwebebahn und Fußballplätze nahezu leer, und die eherne Bismarck-Statue, die früher munteren, dunkelhaarigen Kindern als Klettergerüst diente, blickt nun einsam und erhaben-sinnlos über den Platz vor dem Haus der Jugend. Der übrigens seit der „Zurückgewinnung“ nicht mehr Geschwister-Scholl-Platz heißt, sondern Otto-von-Bismarck-Platz, „um nach der übertriebenen Sühnekultur wieder mit echten deutschen Vorbildern an unsere ruhmreiche Vergangenheit anzuknüpfen“, wie es zur Umbenennung in der Wuppertaler Rundschau hieß. Im Rückblick sind die Anzeichen durchaus erkennbar, die uns dorthin geführt haben, wo wir heute stehen. Nur im Moment des Geschehens sind sie in ihrer Tragweite schwer zu erfassen, lassen sich allzu leicht beiseiteschieben. Was mich immer noch beschämt, ist, wie schnell es letztlich passierte. Nach den großen Flüchtlingsbewegungen Anfang der 20er-Jahre verzeichnete die extreme Rechte in Wuppertal wie im ganzen Land deutliche Gewinne. Die Propaganda wurde, angefeuert durch die Existenzängste vieler Menschen, ständig aggressiver, die Grenzen des Denk- und Sagbaren immer weiter ausgedehnt. Die AfD war es schließlich, die Wuppertal als Ort für ein „soziales Experiment“ ins Gespräch brachte. Aufgrund des schon vor den Kriegen hohen Ausländeranteils sahen sie hier ein günstiges Umfeld für die „Zurückgewinnung“, wie sie es nannten, die Ausweisung aller Ausländer aus der Stadt.

Natürlich gab es auch Widerstand, lebhaften sogar. Die Gewerkschaften und die Kirchen protestierten, anfangs nahmen viele Menschen an den Demonstrationen teil. Die Studierenden der Bergischen Universität organisierten Sit-Ins, und Personen aus dem Umfeld des Autonomen Zentrums demolierten das Auto des örtlichen AfD-Kandidaten. Dennoch begann das Gift zu wirken, langsam zunächst und unter der Oberfläche. Ein schleichender Exodus setzte ein, zunächst unter den wohlhabenderen Ausländern. Der japanische Dirigent des Wuppertaler Sinfonieorchesters verlängerte seinen Vertrag nicht, ebenso wie ausländische Mitglieder des berühmten Pina Bausch-Tanztheaters. Die Universität verzeichnete einen starken Rückgang von Studenten aus dem Ausland, und internationale Mitarbeiter von Bayer, Vorwerk oder Axalta beantragten die Versetzung an andere Standorte. Dann ergriffen immer mehr ausländische Familien die Gelegenheit, zu Verwandten in andere Regionen zu ziehen – schwer zu sagen, ob es an der wirtschaftlichen Rezession lag, in der viele ihren Job verloren, oder an den zunehmenden Anfeindungen. Aber noch immer gab es viele, die in Wuppertal geboren waren, und die sich nicht vorstellen konnten, ihre Heimat zu verlassen. Diese wurden schließlich dazu gezwungen, als die AfD 2029 einen Erdrutschsieg errang und danach die im Wahlprogramm verankerte „Zurückgewinnung Wuppertals für die Deutschen“ umsetzte. Am Stichtag des Auszugs spielten sich dramatische Szenen ab, die mir noch immer die Schamröte ins Gesicht treiben.

Aber Fakt ist: Ich habe es nicht verhindert, ich nicht, und alle, die noch hier sind, ebenfalls nicht. Und daher ist die bleierne Stille über dem Tal vermutlich das, was wir verdient haben.

Texte und Podcasts vom 30.11.2022:

Veröffentlicht am 15.12.2022

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