Blog Stadtteilschreiber

Die Stadtteilschreiberin beim Hilfeladen

GEMEINSAM STATT EINSAM!

Neulich bei meiner Erkundungstour durch die Südstadt: Zwischen sich gleichenden Häuserfassaden entlang der Mainzer Straße bleibt mein Blick plötzlich an einem Schaufenster hängen. „Hilfeladen“ steht dort auf einem Schild und „Entlastung für Haushalt und Seele“. Daneben lehnt ein hobbitartiger Nikolaus neben einer Gitarre. Was für eine Mischung! Ich bleibe eine Weile stehen, lese über die verschiedenen Angebote: Gitarrenunterricht und Lebenshilfe, Demenzbegleitung und Fortbildung. Na klar, hier will ich unbedingt mehr erfahren.



Und so telefoniere ich einige Tage später mit Ellen Mamrot, Mitbegründerin und Geschäftsleiterin des Hilfeladens. Die Umsetzung der neuen Corona-Regelungen macht ihr gerade Stress, ein persönliches Treffen lehnt sie aus Sicherheitsgründen ebenfalls ab. „Tut mir leid", sagt sie entschuldigend, „aber wir sind wirklich sehr vorsichtig, um unsere Klienten nicht zu gefährden." Überhaupt macht Corona der eigentlichen Idee ihres Ladens, den sie 2018 gemeinsam mit ihrem Mann gegründet hat, einen Strich durch die Rechnung. Denn das Ladenlokal sollte vor allem ein Treffpunkt sein für die Menschen aus dem Stadtteil. Doch zurück auf Anfang. Wie genau fing das eigentlich an mit diesem ungewöhnlichen Laden?

„Das war ein sehr trauriger Anlass", erzählt Ellen Mamrot. „Wir erfuhren Ende 2017 vom Tod eines Bekannten, der wochenlang tot in seiner Wohnung in der Jülicher Straße gelegen hatte. Niemand hatte ihn vermisst, keiner bemerkte seinen Tod. Das hat uns sehr getroffen und beschäftigt. Aber wir hielten es noch für einen Einzelfall. Als wir jedoch kurze Zeit später eine Anzeige sahen, in der auf eine Gedenkveranstaltung für mehr als 40 einsam Verstorbene hingewiesen wurde, für die niemand eine Bestattung ausgerichtet hatte, wurde uns klar: Dies ist traurige Realität. Und das nicht nur in prekären Stadtteilen und in bestimmten gesellschaftlichen Schichten, sondern direkt vor unserer Haustür, auch hier in der Südstadt.."

Zusammen mit ihrem Mann dachte sie über die Ursachen dieser Vereinsamung insbesondere älterer Menschen nach. Detlef Mamrot, aufgewachsen in der Südstadt, erinnerte sich an die vielen Läden und Kneipen rund um die Steinbeck in den 70er Jahren. Um die 25 mussten es wohl mal gewesen sein. Rund vierzig Jahre später sind nur ein paar wenige übrig. „Es gibt heute kaum noch Orte, an denen sich die Menschen begegnen und miteinander reden", so Mamrot. Dagegen wollten sie etwas tun, einen abwechslungsreichen Treffpunkt schaffen, an dem das wieder möglich ist, ein Netzwerk aufbauen, das die Anonymität durchbricht, soziale Strukturen wiederbelebt und Schritt für Schritt eine aktive Nachbarschaft formt, wo Menschen sich wieder gegenseitig helfen und aufeinander achten. Die Idee des Hilfeladens war geboren und im Frühjahr 2018 öffneten sie in einem ehemaligen Friseursalon an der Augustastraße die Türen, nachdem sie ihn teils als Büro, teils als gemütliches Wohnzimmer eingerichtet hatten.

„Unser Konzept ging auf", erinnert sich Ellen Mamrot, „bei Gemeinschaftsveranstaltungen wie Mittagessenkochen, Bingo-Nachmittagen bei Kaffee und Kuchen und Aufräum-Aktionen im benachbarten Park am Uellenberg entstanden soziale Kontakte. Es fiel auf, wenn jemand fehlte – und dann hakte man nach." Zugleich bot das Paar ein sehr breites Feld zur Hilfestellung an. Sie, Diplomverwaltungswirtin, Demenzbegleiterin und Betreuungsassistentin, er Psychologischer und Burn-out-Berater und ebenfalls Demenzbegleiter, brachten ihre Fähigkeiten zusammen. Ein Schwerpunkt des Hilfeladens sind von der Stadt Wuppertal anerkannte Dienstleistungen zur Unterstützung von Menschen, die ihren Alltag nicht allein bewältigen können oder wollen. Sie umfassen beispielsweise Handreichungen wie eine Glühbirne wechseln oder ein E-Mail-Programm einrichten, Malerarbeiten, Haushaltshilfe, Behördengänge und Begleitung zu Veranstaltungen. Im Rahmen des zweiten Standbeins berät Detlef Mamrot unter anderem Unternehmen zu komplexen Fragestellungen oder besucht Firmen zwecks anonymer externer Beratung von Mitarbeitern, etwa bei Burn-out oder privaten Schwierigkeiten. Darüber hinaus bieten sie auch Demenzbegleitung, psychologische, Lern-Beratung sowie Beratung zur richtigen Berufswahl an. Letztere nutzen auch Studenten der nahe gelegenen Bergischen Universität.

„Wir haben es geschafft, die Menschen miteinander zu vernetzen. Ein junger Mann etwa, der Arbeit suchte, konnte dank eines Kontakts hier bei der Lebenshilfe arbeiten; eine junge Frau mit Kindern fand bei uns ältere Menschen, die den Kindern vorlasen, und zum Schach trafen sich Alt und Jung – das war toll", schwärmt Mamrot. Da der Laden so gut angenommen wurde – es gibt mittlerweile sieben Mitarbeiterinnen und rund 50 Menschen, die zu Hause betreut werden – waren die Räume in der Augustastraße jedoch schnell zu klein und so zog der Hilfeladen Anfang 2019 nach Cronenberg. Als es auch hier eng wurde, beschlossen die Mamrots im Februar 2020 ein zusätzliches Ladenlokal in der Mainzer Straße anzumieten. Doch dann kam Corona, und mit dem Virus musste der Laden als Treffpunkt mit vielen seiner Angebote schließen bzw. konnte man die Türen des neuen Domizils nie richtig öffnen. „Viele unserer Besucher sind jetzt ganz alleine, manche kommen gar nicht mehr vor die Tür", sagt Ellen Mamrot traurig. „Und auch uns fehlt das Leben im Laden." Jetzt heißt es, Geduld haben. Irgendwann wird das Leben hoffentlich wieder zurückkehren in die Straßen. Wie sagte die Queen bei ihrer Corona-Rede im April so hoffnungsvoll: „We'll meet again". Und dann trinken wir alle einen Kaffee zusammen im Hilfeladen – versprochen?!

Kontakt:
Hilfeladen
Mainzer Straße 5
42119 Wuppertal
Tel. 0202 49606196
info@hilfeladen.net
www.hilfeladen.net

Ellen und Detlef Mamrot vom "Hilfeladen"

Allerlei Hilfsangebote unter einem Hut

Helfende Hände - ein Teil der Crew

Die "Mittwochsrunde"

Fotos: Hilfeladen; Nicole Bolz

Nicole Bolz - Journalistin, Wuppertalerin. Immer neugierig, oft kritisch. Fragemonster und Buchstabendompteuse. Anzutreffen bergauf und bergab im schönsten Tal an der Wupper.

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Veröffentlicht am 30.10.2020

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