Blog Stadtteilschreiber

Der Stadteilschreiber besucht den Friedhof

AKTIV, PASSIV, 6-FUSS-TIEF - VOM GUCKEN, LIEGEN UND AUFBRECHEN

„Komm! Raus aus den Federn! Wir gehen auf den Friedhof. Perspektivwechsel!" Diese Aufforderung stammt aus einem meiner satirisch-komischen Bühnentexte. Im Text versucht ein Typ namens Bernd, etwas Schwung in das Leben eines antriebslosen Freundes zu bringen. Nun meine ich mit diesem Freund nicht mich selbst, oh nein, und auch mit dem beginnenden Herbst hat das nichts zu tun, aber: Ich war auf dem Friedhof. Aus Gründen.



Natürlich war ich nicht auf irgendeinem Friedhof. Sondern auf dem 1822 eingeweihten Friedhof Unterbarmen, der bis zur Oberbergischen Straße und damit bis zur östlichen Grenze des Stadtteils Hesselnberg reicht. Und was soll ich sagen?! Ist der schön, dieser Friedhof! Man muss Friedhöfe aber natürlich schon auch mögen, damit man die überhaupt schön finden kann. Wer mit Friedhöfen gar nichts Schönes verbindet, wird sie völlig zu Recht meiden.

Aber kommen wir doch noch mal zu dem oben erwähnten Perspektivwechsel. Wenn man zum Beispiel dazu neigt, eher düsteren Gedanken nachzuhängen und generell mit dem Antrieb hadert (und oh nein! Ich meine nicht mich!), dann kann so ein Friedhofsbesuch für den Blick aufs Leben durchaus förderlich sein. Sagt man. Weil man sich dort die Vergänglichkeit vergegenwärtigt, sich eines Endes bewusst wird, ja, die ewige Ruhe fast schon spürbar ist. Und dann läuft man da so die Wege entlang, erfreut sich an altem Baumbestand, geheimnisvollen Gräbern und imposanten Grabstätten. Und auf einmal hat man Bock, jetzt aber mal was zu unternehmen. Und mit der verbleibenden Zeit irgendwas Sinnvolles anzufangen.

Unkompliziertere Menschen kürzen das alles ab und machen direkt was. Die liegen nicht rum - schon gar nicht auf dem Friedhof -, sondern handeln. Recken die Faust in die Höhe, zeigen nach vorne und gehen los. „Ein großes Vorbild ist da sicher der Arrenberg", sagt Axel Frevert, der gemeinsam mit Susanne Spitzl die Initiative „Aufbruch Hesselnberg" ins Leben gerufen hat. Und das erst kürzlich, nach dem großen Nachbarschaftsfest Ende Mai an und in der „börse".

Aktive Mitgestaltung des Quartiers, in dem man lebt; das wünschen sich die Aufbrechenden, die beim letzten Treffen immerhin schon zu sechst zusammengesessen haben. Man verstehe sich dabei nicht als Ersatz zu beispielsweise Bürgervereinen, sondern ganz klar als Ergänzung. „Deshalb ja auch die Anbindung an das Forum Hesselnberg-Südstadt", so Axel Frevert. Er und Susanne Spitzl nehmen regelmäßig an den Forumstreffen in der „börse" teil.

„In der Hauptsache geht es darum, Begegnungsmöglichkeiten zu schaffen und das Viertel zu beleben", erläutert der Hesselnberg-Anwohner. „Es gibt sehr viel Leerstand, im Grunde keine Nahversorgung und auch kein Café, keine Kneipe, nichts. Da fehlt einfach was." Und die „börse"? Als Kommunikationszentrum? „Die ist zu weit weg. Wir brauchen direkt im Viertel ein Nachbarschaftscafé oder so. Gerne auch als soziale Initiative, die damit noch Menschen in Arbeit bringt. Aber da wissen wir gerade nicht, wie das finanziert werden soll. Die Auflagen jedenfalls sind ziemlich hoch."

Ein Aufbruch ist damit aber längst getan. Eines kommt zum anderen. So gab es zum Beispiel auch schon Kontakt zur Clees Unternehmensgruppe, der die Immobilie Wicküler City am Fuße des Hesselnbergs gehört. Auch dieses Haus glänzt derzeit vor allem mit Leerstand - selbst dort, wo zuletzt Real auf zwei Ebenen beherbergt war, will Nachfolger Kaufland nur eine Ebene bespielen. „Man zeigt sich durchaus aufgeschlossen für Ideen", berichtet Axel Frevert von den Gesprächen. Auch wolle man als „Aufbruch Hesselnberg" versuchen, den CVJM und das Wichernhaus als Partner ins Boot zu holen.

Neben dem erwähnten Vorbild vom Arrenberg hatte Axel Frevert jetzt auch Gelegenheit, Kontakte zu Initiativen aus anderen Städten zu knüpfen. Als Teil der DemokratieWerkstatt der „börse" waren er und weitere Teilnehmer sowie die Initiatoren des Forums Hesselnberg-Südstadt zu Gast im Landtag in Düsseldorf; der Landtagspräsident hatte die nordrhein-westfälischen Demokratiewerkstätten eingeladen, um sie zu würdigen.

Ob all dem ein Friedhofsbesuch vorausgegangen ist? Ich weiß es nicht. Jedenfalls hat hier was Sinnvolles seinen Anfang gefunden.

Das Landtagspräsidium -

 und die Hesselnberger.  Fotos: Lothar Jessen

 

Fotos: Jörg Degenkolb-Degerli

+++ Projekt-Ticker +++ Seit Anfang September probt der Menschenrechte-Chor wieder regelmäßig montags ab 19:30 Uhr in der „börse". Zusätzlich finden dort drei Wochenend-Workshops statt: Am 14.+15. sowie am 20.+21.9., außerdem am 30.11.+1.12. jeweils von 14 bis 19 Uhr (Anmeldung nötig!). Mit seiner Leiterin, der Wuppertaler Sängerin und Komponistin Anna Luca Mohrhenn, erarbeitet der Chor musikalische Arrangements zu den Menschenrechtsartikeln sowie Civil Rights Songs und andere, thematisch passende Stücke. Die nächste Aufführung mit neuem Programm ist für den Dezember geplant! +++

+++ Projekt-Ticker +++ Und wieder heißt es Global Music Club: Jammen, sich vernetzen, mehr über das Deutsche Music Biz erfahren oder einfach nur gemeinsam die verbindende Sprache von Musik feiern. Am 15.9. präsentieren außerdem 5000 Miles nahöstliche Folklore und Popmusik in westlichem Gewand. +++

+++ Projekt-Ticker +++ Am 25.9.2019 starten wir die Reihe "die börse 4 future" mit 3 Klima-Kino Vorführungen und zwei Vorträgen - außerdem findet ihr uns am 20.9. auf der FFF - Demo 11.00 Uhr, HBF. Kommt auch!  +++

Euch fällt was Berichtenswertes ein? Dann eine E-Mail an stadtteilschreiber@dieboerse-wtal.de!

 Das Projekt "Stadtteilschreiber" wird gefördert von

 

 "Ist der schön, dieser Friedhof!" Foto: Jörg Degenkolb-Degerli

Veröffentlicht am 13.09.2019

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