Blog Stadtteilschreiber

Stadtteilgeschichten von Stadtteilbewohner:innen

Liebesbriefe an die Südstadt

Stadtteilgeschichten aus der Schreibwerkstatt

Na, mein liebes Kleeblättchen?
Konntest Du auch wieder nicht schlafen? All die Rallye-Fahrer, die dich umrunden des Nachts... ganz schön laut... Doch dann: Ruhe!
Bis der Typ mit seinem getunten Auspuff aus seiner Garage will. Brumm! Brummm! Dann die Mutter, die ausparkt, um ihr Kind zur Schule zu fahren, der Schichtarbeiter, der wütend das Garagentor zuschlägt... Nun ist es wieder still und du segelst davon, träumst weiter...
Um sieben läuten die Glocken. Um neun oder zehn schließt der Blumenhändler seinen Laden auf und stellt mal Blumen, Kräuter, mal Erde und Gestecke vor die Schaufenster. Wann macht eigentlich Evia den Pizzaofen an? Mittags? Außer dienstags. Da hat sie frei.
Längst sind ganze Trupps von Meisen und Elstern durch den Garten hinterm Haus gezogen. Dort, wo es immer ruhig ist, bis die Kinder aus der Schule kommen und schaukeln, Tischtennis und Ball spielen.
War das ein Stieglitz? Krass. Ein Grünspecht kam gestern vorbei. Wie schön! Und DAS HIER, in der „Bronx", wie ich dich liebevoll nenne, wenn wieder mal die Polizei verkehrt herum durch die Einbahnstraße einem Dealer hinterherjagt oder mit sieben Mann – okay, einer Frau – ein Drogennest in dem Haus ausräumt, in das ich doch gerade erst eingezogen bin!!!
Ich schaue wieder hinten raus. Das Rotkehlchen sitzt friedlich auf der Teppichstange und ahnt nichts von den Abenteuern vor dem Haus. Es ist wachsam und beobachtet lieber die Elstern oder versteckt sich vor dem Falken, der über den Bäumen in der Luft steht.
Es duftet. Kathi – eigentlich Kadriye – kocht. Gleich bringt sie mir sicher einen Teller vorbei, meine Nachbarin: „Probier mal!" sagt sie dann wieder und lacht. Und ich lasse sie probieren, wenn ich was Leckeres gekocht habe. Nur kein Schwein. Das isst sie nicht. Koche ich aber auch kaum noch.
Herrlich ist das. Und bunt. Wie du, mein Kleeblatt.

(Ulrike Reckermann)

Der Charme der oberen Südstadt – eine grüne Oase.
Im Frühjahr leuchtet die Blumenwiese auf dem Flügelhügel an der Uni in Rot, Blau, Weiß, Orange, Pink, Gelb, Rosa ... Primeln, Narzissen, Tulpen, Hyazinthen. „Blumen schenken Lebensfreude" sagte meine weise Oma Joséphine.
Im Sommer summen unzählige Hummeln und Bienen in den hohen Linden der Kronprinzenallee. Ich bleibe unter einem Baum stehen, schließe die Augen und lasse mich vom Duft der Lindenblüten und vom beruhigenden Summen der Insekten betören.
In den gepflegten Vorgärten flattern bunte Schmetterlinge unbeschwert von Blume zu Blume. Vögel zwitschern: Meisen, Rotkehlchen, Buchfinken, Gimpel, Amseln. Falken und Bussarde schweben durch die Lüfte und jagen sich gegenseitig. Putzige Eichhörnchen springen wie Akrobaten in einem Zirkus spielend leicht von Ast zu Ast. Tagsüber höre ich öfters das Klopfen eines Spechts oder den Schrei eines Milans und nachts das unheimliche Rufen eines Kauzes.
Im Frühherbst leuchten die Bäume in Gold, Geld, Orange, Rot, bevor sie sich später entkleiden und einen dicken Teppich aus Laub auf dem Boden hinterlassen.
Am Himmel folge ich gebannt mit den Augen Hunderten kreischender, elegant fliegender Kraniche, die instinktiv Richtung Süden ziehen, um dem kalten deutschen Winter zu entfliehen.
Ich bleibe hier unten in meiner Wohnung mit Aussicht auf Uni und Tal. Ich bin angekommen und muss nicht weiter ziehen.
Ich wohne schon im Süden – im Süden der Stadt, in einem ruhigen, grünen Viertel am Waldrand, umgeben von freundlichen Nachbarn.
Ich bin zufrieden und glücklich.

(Danielle Bouchet)

Du, meine Südstadt, wenn ich wieder zu dir nach Hause komme, geht mir das Herz auf. Die Straßen, die dich durchziehen, sind gesäumt von Bäumen, fast wie eine Allee. Je nach Art begleiten mich die rosa-weißen Kerzen der Kastanien im Frühjahr, sie, die Linden oder andere Bäume spenden Schatten, sodass selbst in heißen Sommern es erträglich bleibt. Ich revanchiere mich dafür mit einigen Eimern Wasser, denn ich lasse euch, meine Freunde, nicht verdursten. Der Herbst wirft schon einmal eine Kastanie auf meinem Kopf. Kinder sammeln diese braun glänzenden Preziosen ein, um Männchen daraus zu bauen bis zur Verzweiflung ihrer Mütter. Und im Winter: Schnee verfängt sich, fällt auf euch nieder und lässt die dürren Äste vor dem kalten Himmel glänzen.
Es sind nicht nur die Bäume, die meinen Spaziergang flüsternd begleiten. Der Weg führt mich zu dir ins Herz, in den von-der-Heydt-Park. Wie wohl fühle ich mich in dir. Klein, wie du bist, und so vertraut. Es sind wieder deine Bäume und Büsche, die mich umgeben und ich mittendrin. Du schenkst mir eine Sphäre, die mich behütet. Die Luft kühl, gefüllt mit frischem Sauerstoff, den du in deinen Pflanzen produzierst. Er erquickt und belebt mich – nicht nur mich. Du, voller Leben, ohne überfüllt zu sein. Der Bub, der mit seinem Rädchen über die Wege flitzt, der Hund, der hinter ihm herjagt, und darüber entspannende Ruhe. Dazu deine Bäume, die ihren 100. Geburtstag schon gesehen haben, ihr Schatten umarmt mich.
Es scheint so ruhig, und dennoch pulsiert es in dir. Du nimmst deine Einwohner auf, bietest ihnen das Terrain, wo der Vater mit seinem Sohn Fußball spielt, neben dem Spielplatz, den du für die Kleinen reserviert hast. Darüber hinaus die Wiese, auf der die Gemeinden der angesiedelten Kirchen für ihre Kinder und Jugendlichen einen eigenen Zugang zu Gott, dem Schöpfer, ermöglichen.
Ausgetobt, wirklich frische Luft aufgenommen, schenkst du Zufriedenheit, lässt mich entspannt in den Abend gehen, um gestärkt den neuen Morgen zu begrüßen.

(Sibyll Quinke)


Die nächsten Schreibwerkstätten finden an folgenden Terminen statt:
26.03.+09.04. mit Christiane Gibiec.
14.+21.05. mit Jörg Degenkolb-Degerli. 
Die Teilnahme ist kostenlos.
Anmeldung bitte unter:
stadtteilschreiber@dieboerse-wtal.de .
 
 Garten hinterm Haus

 Nachbarin Kathi mit was Leckerem
 
Himmel über der regenbogenbunten Südstadt
Fotos: Ulrike Reckermann
 
Sommerliche Blütenpracht
 
 
Frühherbst in der Südstadt
Fotos: Danielle Bouchet
 
Ihr wollt nicht selbst etwas schreiben, aber euch fällt was Berichtenswertes ein? Dann eine E-Mail an stadtteilschreiber@dieboerse-wtal.de!
 

 
 
Das Projekt "Stadtteilschreiber" wird

 

Veröffentlicht am 18.12.2021

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