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Manuela Rabenschlag: Die Autopanne



Die Autopanne (vorgegebener Anfangssatz)

Eigentlich wollte ich gar nicht aufmachen als es klingelte. Dann sah ich durch die Glasscheibe der Haustür, dass dort niemand stand, sondern saß – auf einem Stuhl mit großen Rädern an jeder Seite.

Noch immer zögerte ich die Tür zu öffnen, ich erwartete niemanden und für Spontanbesuche war es viel zu spät, es war weit nach 23 Uhr – keine Uhrzeit, in der man Fremde ins Haus bat.

Doch sowohl Neugier als auch ein schlechtes Gewissen siegten: Vielleicht wurde meine Hilfe benötigt - also öffnete ich die Tür, zumindest einen Spaltbreit. Zaghaft und skeptisch fragte ich: „Ja, bitte?!“ Es war Frage und Aufforderung an mein Gegenüber zugleich, den Grund für diese späte Störung zu nennen. Vor mir saß ein Junge von etwa 2o Jahren in einem Rollstuhl. Sowohl der Junge als auch der Rollstuhl trieften vor Nässe und boten einen mitleidserregenden Anblick. Schüchtern lächelte er mich an: „Tschuldigung, dass ich Sie störe, aber ihr Haus ist das einzige weit und breit in der Straße ohne Stufen am Eingang. Ich habe eine Autopanne. Mein Auto steht etwas weiter die Straße hinunter am Waldrand und ich könnte Ihre Hilfe gebrauchen.“

Immer noch skeptisch starrte ich den Jungen vor mir an und verarbeitete die gehörten Fakten: Autopanne - Waldrand – 23 Uhr – Hilfe erbeten. Meine Gedanken überschlugen sich. Hatte er denn kein Handy? Ich kannte keinen Jugendlichen, der auch nur Ansatzweise ohne Mobiltelefon aus dem Haus ging – und ein Junge im Rollstuhl sollte ohne diesen Kommunikationsknochen auskommen? Kaum zu glauben. Und verfügte sein Auto – dass doch sicherlich aufgrund des Rollstuhl-kompatiblen Umbaus ein neueres Fabrikat sein musste – nicht über so einen Notrufknopf – war doch jetzt in allen Neuzulassungen vorgeschrieben... Mir schossen 1.000 Fragen und Gedanken durch den Kopf. Was, wenn dies nur eine clevere Finte war? Ein Versuch mich aus dem Haus zu locken bzw. bei mir einzubrechen? Gab es vielleicht Kumpane, die hinter der Hecke lauerten?

Vielleicht waren diese Überlegungen ja meinem erhöhten Konsum von Thrillern und Kriminalfilmen geschuldet, allerdings… man weiß ja nie. Heutzutage konnte man bzw. Frau nicht vorsichtig genug sein!

Der Junge schaute mich noch immer hilfesuchend an, sein Blick war offen, seine Augen lächelten. Geduldig wartete er auf meine Antwort. Ich gab mir einen Ruck: „Na, komm erst mal rein. Du bist ja klatschnass.“ Er rollte in meinen Flur bis er von den drei Stufen, die zu meinem Wohnbereich führen, ausgebremst wurde. Optisch stehen diese Stufen meinem Haus sehr gut, doch so schön diese architektonische Besonderheit auch ist, so war sie nun vor allem eins: hinderlich! Der Junge rollte an eine Seite, damit ich die Tür schließen konnte, um den Regen draußen zu halten. Er sagte nichts, sondern zuckte nur die Achseln. Schlagartig wurde mir bewusst, dass diese Hürden seinen Alltag bestimmten. Wortlos ging ich die paar Stufen hoch, holte aus dem Badezimmer ein Handtuch, zog mein Handy aus der Handtasche und ging zu dem Jungen zurück. Er erzählte wie er sich aus seinem vollelektronischen Auto selbst ausgesperrt hatte und leider sowohl seine Jacke als auch sein Handy sich noch im verriegelten Auto befanden.

Nachdem ich den Automobilclub angerufen hatte, saßen wir gemeinsam im Flur, warteten auf den Mechaniker und tranken Tee – er im Rollstuhl zwischen Haustür und Treppen, ich auf der Treppe sitzend. Ich war froh die Tür geöffnet zu haben..
(evtl.auch vorlesen, wird noch überarbeitet)

 

 

Texte und Podcasts vom 30.11.2022:

Veröffentlicht am 16.02.2023

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