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Zivilcourage

Endlich Feierabend! Obwohl von „Abend“ noch nicht die Rede sein kann. Es ist erst zwei Uhr nachmittags, und ich bin froh, das Büro zu verlassen.

Den 20minütigen Fußweg zum Düsseldorfer Hauptbahnhof kann ich bereits mit geschlossenen Augen gehen. Meine Beine führen mich automatisch zum Ziel, und ich kann meinen Gedanken freien Lauf lassen.

Plötzlich erwache ich aus meiner Tagträumerei, als ich vom Weiten vor dem Nordeingang des Bahnhofs einen großen Menschenauflauf, davor gestikulierende Gestalten sehe und Schreie höre. Ich bin noch nicht nah genug, um zu erkennen, was sich dort genau abspielt. Ich denke spontan, wahrscheinlich machen junge Leute eine Show. Ein Flashmob?

Kurz vor der Menschenmenge bleibe ich stehen und in Sekundenschnelle versuche ich, die Szene zu erfassen und gedanklich zu verarbeiten: Eine junge Frau schreit, wird von zwei jungen Männern getreten und drangsaliert.

Ein Spiel? Eine Darbietung? Es sieht so echt aus. Die Frau schreit, versucht den Hieben der jungen Männer auszuweichen, schützt sich den Kopf mit den Händen, versucht, wegzulaufen. Alle drei werden von Zuschauern umringt, die keine Miene verziehen und sich nicht von der Stelle rühren.

Als ich den Ernst der Situation erkenne, bleibe ich zunächst wie angewurzelt stehen, weiß nicht, ob ich die Jugendlichen oder die Gaffer anschreien soll… Meine Schreie bleiben in der Kehle stecken.

Wut und Entsetzen lassen mich reagieren. Allein einzugreifen wäre zu gefährlich, und leider habe ich kein Handy dabei… Hilfe, die Frau braucht Hilfe. Also renne ich so schnell ich kann zum Info-Point: „Schnell, rufen Sie sofort die Polizei an, am Nordeingang wird eine Frau von jungen Männern verprügelt.“

Was ist schlimmer? Die jungen Männer, die einer Frau Gewalt antun oder die Gaffer, die nicht reagieren? Sie schauen nicht mal weg, sie schauen zu.

Eine junge Frau wurde geschlagen.

Es war kein Spiel.

Und es war weder ein Tagtraum noch ein Alptraum, sondern bittere Realität.